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Die rechtliche Qualifikation des Software-Kaufes
Die rechtliche Einordnung von Softwarekäufen
Allzu häufig gehen Anwender davon aus, dass sie eine Standardsoftware „gekauft“ haben. Der Jurist interpretiert diese Aussage dahingehend, dass die Regelungen der §§ 1053 ff ABGB („Kaufvertragsrecht“) zur Anwendung gelangen. Fragt man genauer nach, stellt sich jedoch häufig heraus, dass die Software tatsächlich „gemietet“ wurde. Software-Anbieter gehen zunehmend davon ab, ihre Standardsoftware zu „verkaufen“. Auch im Bereich des Softwarevertriebs ist der Begriff des „Resellers“[1] nur in den wenigsten Fällen juristisch zutreffend.
Charakteristika eines Softwarekaufes
Ein Kaufvertrag ist dadurch charakterisiert, dass der Verkäufer dem Käufer eine Sache dauerhaft überträgt. Die„Dauerhaftigkeit“ ist demnach der Abgrenzungsfaktor zwischen einem Softwarekauf einerseits und einer Softwaremiete andererseits. Rechtsprechung und herrschende Lehre ordnen Verträge dem Kaufvertrag zu, wenn die Software auf Dauer überlassen wird.[2] Wenn eine Standardsoftware dauerhaft gegen Einmalvergütung überlassen wird, findet auf die Überlassung Kaufrecht Anwendung.[3] Nach der Rechtsprechungdes OGH ist die dauerhafte Überlassung einer auf Datenträgern verkörperten Standardsoftware gegen ein einmaliges Entgelt als Kauf zu qualifizieren. [4] Weiters grenzt derOGH [5] den Softwarekaufvom Werkvertrag und Bestandvertrag ab. Die Zahlungsmodalitäten sind dabei nicht der entscheidende Faktor. Nur wenn eine Software dem Anwender dauerhaft, ad infinitum, überlassen wird, liegt ein Kaufvertrag im zivilrechtlichen Sinne vor. Der entscheidende Faktor[6] ist daher, für welche Dauer dem Anwender das Recht eingeräumt wird die Software zu nutzen.[7] Liegt das Merkmalder dauerhaften Überlassung vor, ist das Kaufrecht auch anwendbar, wenn die Parteien den Vertrag bspw als Lizenzvertrag bezeichnen, nur ein urheberrechtliches Nutzungsrecht eingeräumt wird und/oder die Software im Eigentum des Softwareherstellers verbleiben soll.[8]
Abgrenzung zwischen Softwaremiete und Softwarekauf
Wird dem Anwender das Nutzungsrechtauf unbestimmte Zeit eingeräumt, ist von einem Softwarekauf auszugehen.[9] In diesem Zusammenhang wird in der Praxis der Begriff der „perpetual license“ verwendet. „Auf Dauer“, „ohne zeitliche Begrenzung“ bzw „auf unbestimmte Zeit“ sind dabei als gleichwertig zu qualifizieren. [10] Es reicht, das Recht einzuräumen, die „Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen“, die Einräumungeines unbefristeten Rechts zur Nutzung der Kopie oder dass die Software „dauerhaft nutzbar gemacht“ wird.[11] Wird dem Anwenderdas Nutzungsrecht hingegen auf bestimmte Zeit eingeräumt, liegt eine Softwaremiete vor. Bei Softwaremieten wird das zeitliche Nutzungsrecht daran geknüpft, dass die Lizenz bezahlt wird. Wird die Lizenz nicht mehr bezahlt, darf die Software nicht mehr genutzt werden. Daraus folgt, dass hohe Aufmerksamkeit darauf zu richten ist, in welcher Dauer das Nutzungsrecht eingeräumt wird.
Daran ändert es nichts, wennin den Lizenzbedingungen ein außerordentliches Kündigungsrecht vorgesehen ist. Eine solche Kündigungsregelung führt bei Einräumung eines zeitlich unbefristeten Nutzungsrechtes regelmäßig zu keiner mietrechtlichen Einordnung desVertrages.[12]Ist die dauerhafte und damit kaufrechtlich einzuordnende Softwareüberlassung der Vertragszweck, hält ein solches Kündigungsrecht in Lizenzbedingungen einer Geltungs-und Inhaltskontrolle nicht stand und ist damit nichtig.
Ein Kaufvertrag liegt auch dann vor, wenn der Kaufpreis nicht auf einmal, sondern in Raten gezahlt wird.[13] Der Vertragstyp „Kauf“ schließt nämlich eine gestreckte Zahlung nicht aus.[14] Der Umstand einer Einmalvergütung ist jedoch nicht zu unterschätzen und kann eine Indizwirkung haben.[15] Wird daher einebereits vorgefertigte Software gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts vom Anwender erworben, geht die mittlerweile ganz herrschende Meinung davon aus, dass es sich um einen Kaufvertrag handelt.[16]
Sind Einschränkungen der Nutzung gerechtfertigt?
Software ist ein im hohen Maße missbrauchsanfälliges Gut. Die hohen Entwicklungskosten, die Leichtigkeit unberechtigter Vervielfältigungen und die drohenden großen finanziellen Verluste der Softwarehersteller führen zu einer allgemein anerkannten besonderen Verletzlichkeit von Computersoftware.[17] Daher sind die Interessen des Herstellers vertretbar, die Nutzung der Software einzuschränken. Beim Kauf einer Software stellt sich die Frage, wie mit vertraglichen Einschränkungen des Nutzungsrechtes umzugehen ist. Schließlich muss der Verkäuferdem Käufer die Ware „zum freien Besitz“ übergeben, also dem Käufer lastenfreies Eigentum und freie Innehabung verschaffen.[18] Von einer freien Innehabung in diesem Sinne kann aber in der Praxis keine Rede sein. Die Lizenzbedingungen geben vielmehr detailliert vor, wie, wo und von wem die Software genutzt werden darf. Der Verkäufer kann die Nutzungsbefugnis des Käufers daher nicht unbegrenzt beschränken.[19]
Damit stellt sich die ganzgrundsätzliche Frage, ob Eigentum an Software überhaupt möglich ist, obgleich festzuhalten ist, dass etwaige Nutzungsbeschränkungen nicht bestimmend für den Vertragstypus sind.[20] Diese Frage wurde letztlich vom EuGH[21] wohl abschließend bejahend entschieden.[22] Im Fall UsedSoft urteilte der Gerichtshof, dass durch die Zahlung eines Entgelts der Erwerber ein unbefristetes Recht zur dauerhaften Nutzung einer Kopie eines Computerprogramms erhält, deren wirtschaftlicher Wert durch die Vergütung erzielt wird. Beschränkungender Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers können eine Einstufung als Kauf daher nicht beeinträchtigen.[23]Schon vor dieser Entscheidung war anerkannt, dass der Abschluss eines Lizenzvertrags im Zusammenhang mit dem Erwerb von Computerprogrammen zur Konkretisierung der bestimmungsgemäßenBenutzung durchaus zulässig ist.[24] Das OLG Wien hatte bereits 1994 einschränkende Nutzungsvereinbarungen als zulässig erkannt.[25] Das häufig in Lizenzbedingungen enthaltene Verbot der Weitergabe der gekauften Software ist aber regelmäßig verboten und unwirksam.[26]
Auszug aus dem Buch: Handbuch Softwarerecht
[1] Zur Themenkreis desResellings siehe Kapitel 8.
[2] Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 6;Marly, Praxishandbuch Softwarerecht7,524.
[3] VglBräutigam in Bräutigam(Hrsg), IT-Outsourcing und Cloud-Computing4, 1236.
[4] Vgl RS0108702.
[5] Vgl OGH 22.1.2015, 1 Ob229/14d.
[6] Vgl Redeker,IT-Recht6, 166.
[7] Vgl Staudeggerin Jahnel/Mader/Staudegger (Hrsg), IT-Recht4, 200; Marly, PraxishandbuchSoftwarerecht7, 292.
[8] Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 6;OLG Nürnberger 20.10.1992 – 3 U 2087/92; OLG Hamm 28.11.2012 – 12 U 115/12.
[9] Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 3;Schröder, Softwareverträge4,3; Hoeren, IT-Vertragsrecht (Skriptum), StandSeptember 2021, 117.
[10] Vgl Schneiderin Handbuch EDV-Recht5, 2333.
[11] Vgl EuGH 3.7.2012, RsC-128/11.
[12] Vgl Roth-Neuschild/Intveenin Intveen/Gennen/Karger, Handbuch desSoftwarerechts, 293.
[13] Vgl Redeker,IT-Recht6, 167; Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 7.
[14] Vgl Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 7.
[15] Vgl Schneiderin Handbuch EDV-Recht5, 2394; Redeker, IT-Recht6, 187.
[16] Vgl Redeker,IT-Recht6, 165.
[17] Vgl Marly,Praxishandbuch Softwarerecht7, 287.
[18] Vgl § 1061 iVm § 1047 ABGB.
[19] Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2.,41.
[20] Vgl Brandi-Dohrnin Redeker (Hrsg), Handbuch der IT-Verträge, 1.2., 6.
[21] Vgl EuGH 3.7.2012, C-128/11, UsedSoft.
[22] Vgl Staudeggerin Jahnel/Mader/Staudegger (Hrsg), IT-Recht4, 201.
[23] Vgl Staudeggerin Jahnel/Mader/Staudegger (Hrsg), IT-Recht4, 199.
[24] Vgl Staudegger, jusIT 2008/20,52; Staudegger in Jahnel/Mader/Staudegger(Hrsg), IT-Recht4, 207.
[25] Vgl OLG Wien 20.12.1994, 22 Bs509/94.
[26] Vgl Schneiderin Handbuch EDV-Recht5, 2399.
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