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Dos and Dont`s: Escrow Agreement
Bei der Anschaffung von kostenintensiver oder geschäftskritischer Software hat der Software-Anwender Interesse daran, dass der Betrieb und die Wartung der Software dauerhaft sichergestellt ist. Um dies sicherzustellen, bedarf es einer Übergabe des Quellcodes. Ohne Zugriff auf den Quellcode besteht keine Möglichkeit der Fehlerbeseitigung oder Erweiterung. Auf der anderen Seite hat der Anbieter Interesse, dass der Quellcode der Software vertraulich behandelt wird. Es stellt sich nun die Frage, wie ein fairer Ausgleich zwischen diesen Interessenlagen gefunden werden kann. Eine Möglichkeit bietet der Abschluss einer Hinterlegungsvereinbarung, oder auch Escrow-Agreement. Was dabei zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Artikel.
Escrow Agreement oder Quellcodehinterlegung: Was ist darunter zu verstehen?
Unter einer Quellcodehinterlegung wird überwiegend die treuhändische Verwahrung des Quellcodes und des zugehörigen Begleitmaterials durch einen Dritten (der Hinterlegungsstelle oder Escrow Agent) verstanden. Zivilrechtlich ist die Entgegennahme und Aufbewahrung des Quellcodes wohl als Miete zu qualifizieren, die Verifikation des Quellcodes hingegen als Werkvertrag. Die Hinterlegungsvereinbarung kann entweder als selbstständiger Vertrag oder als Teil des Hauptvertrages abgeschlossen werden.
Escrow Agreement: Definition des Hinterlegungsgegenstandes
Der genauen Umschreibung des Hinterlegungsgegenstandes wird oftmals nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Gegenstand einer Hinterlegungsvereinbarung ist der Quellcode einer Software. Damit dieser vom Anwender genutzt werden kann, bedarf es weiterer Informationen. Zunächst ist auch die Übergabe der Entwicklungsdokumentation erforderlich. Diese enthält eine Beschreibung der Struktur, Logik und des Aufbaus der Software. Auch die Entwicklungswerkzeuge und dynamisch eingebundenen Bibliotheks-Dateien sollten hinterlegt werden. Teilweise wird angeregt auch den Namen der Programmierer zu hinterlegen. Auch sollten Updates, Upgrades und Neuversionen des Quellcodes von der Hinterlegung umfasst sein.
Quellcodehinterlegung: Definition der Herausgabefälle
Eine besonders heikle Frage im Zusammenhang mit einem Escrow-Agreement ist die Frage, wann der Treuhänder dazu verpflichtet ist, den Quellcode (samt zusätzlicher Materialien) offenzulegen. Grundsätzlich können die Herausgabefälle der Offenlegung in zwei Kategorie unterteilt werden.
Die eine Kategorie betrifft Fälle, in welcher der Anbieter aufgrund faktischer Umstände nicht mehr in der Lage ist die Software zu betreiben und pflegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Insolvenzverfahren über den Anbieter eröffnet wird. Aus dem Gesichtspunkt der Nachweispflicht kann der diesbezügliche Beweis gegenüber dem Treuhänder leicht erbracht werden, indem ein entsprechender Nachweis aus dem Insolvenzregister nachgewiesen wird.
Die zweite Kategorie der Herausgabefälle behandelt jene der Schlechterfüllung. Eine stetige Schlechterfüllung durch den Anbieter führt ebenso wie die gänzliche Pflege durch den Anbieter zu einer Schutzlosstellung und soll damit einen Anlassfall für eine Veröffentlichung begründen. Hier kann das Vorliegen des Herausgabefalles hingen nicht anhand von Urkunden dargelegt werden, weshalb diese Kategorie wesentlich problematischer ist.
Escrow Agreement: Auswahl der Hinterlegungsstelle
Die Hinterlegungsstelle muss vor allem garantieren, dass der Quellcode vertraulich behandelt wird und dieser nur im Herausgabefall veröffentlicht wird. Als Escrow Agent kann dabei ein Notar, EDV-Sachverständiger, Rechtsanwalt, eine Bank, oder ein professioneller Escrow Agent in Betracht kommen. Nachdem der Escrow Agent den Hinterlegungsgegenstand regelmäßig verifizieren sollte, was ein entsprechendes technisches Know-How voraussetzt, ist ein spezialisierter Escrow Agent dem Notar oder Rechtsanwalt vorzuziehen. Zudem verfügen Rechtsanwälte oder Notare regelmäßig nicht über die erforderliche Infrastruktur einer sicheren Softwarelagerung. Andererseits sollte mit dem Escrow Agent ein wasserdichter Vertrag abgeschlossen werden, da die Konsequenzen einer ungerechtfertigten Offenlegung schwer wiegen. Letztlich sollte die Hinterlegungsstelle sowohl über die erforderlichen Voraussetzungen für eine sichere Hinterlegung sowie über ein ausreichendes Maß an Fachkenntnis verfügen.
Professionelle Quellcodehinterlegungsstellen führen überdies eine Reihe von Tests auf Vollständigkeit und Brauchbarkeit des übergebenen Materials, die sogenannte technische Verifizierung, durch. Elemente einer Verifizierung können sein:
- Prüfung auf Virenfreiheit;
- Lesbarkeit des Datenträgers;
- Stichprobenartige Überprüfung des Quellcodes auf Nachvollziehbarkeit;
- Urheberrechts- oder sonstige Schutzrechtsvermerke;
- Lesbarkeit und Brauchbarkeit des Quellcodes;
- Verifizierung der Vollständigkeit und Brauchbarkeit des Quellcodes.
Die Durchführung einer solchen Verifizierung ist gerade der Vorteil eines professionellen Escrow-Agents gegenüber beispielsweise einem Rechtsanwalt oder Notar.
Eine komplexe Frage im Bereich des Escrow-Agreement ist, wie die Quellcode-Hinterlegung insolvenzfest gestaltet werden kann. Dies ist Gegenstand eines folgenden Artikels.
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