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Softwarerecht: Wann entsteht eine neue Software?
Wann entsteht aus einer bearbeiteten Software eine „neue“ Software?
In der Softwareentwicklung ist es eine häufig gestellte Frage: Wann wird eine bearbeitete Software rechtlich zu einer „neuen“ Software? Diese Unterscheidung ist nicht nur theoretisch interessant, sondern hat praktische Konsequenzen für Urheberrechte, Lizenzen und die rechtliche Verwertung. Im Zentrum dieser Überlegungen stehen die Begriffe der abhängigen Bearbeitung und der freien Neuschöpfung.
Bearbeitung versus freie Benutzung
Die Unterscheidung zwischen einer abhängigen Bearbeitung und einer freien Benutzung (oder Neuschöpfung) ergibt sich aus der Frage, wie tiefgreifend die Veränderungen am Originalwerk sind. Eine abhängige Bearbeitung ist durch die Umgestaltung äußerer Merkmale des Originals bei gleichzeitiger Beibehaltung des Werk-Kerns gekennzeichnet. Sie bleibt eng mit dem ursprünglichen Werk verbunden und setzt für die Verwertung die Zustimmung des ursprünglichen Urhebers voraus.
Dagegen entsteht bei einer freien Benutzung ein völlig neues Werk, das unabhängig vom ursprünglichen Werk urheberrechtlich geschützt ist. Hier tritt das ursprüngliche Werk so weit in den Hintergrund, dass es gegenüber der Eigenständigkeit der Neuschöpfung verblasst. Für die Verwertung ist in diesem Fall keine Zustimmung des ursprünglichen Urhebers erforderlich.
Merkmale einer abhängigen Bearbeitung
Typische Beispiele für Bearbeitungen sind:
- Anpassungen von Software an spezifische Anforderungen,
- Fehlerkorrekturen,
- Updates aufgrund technischer Änderungen oder gesetzlicher Vorgaben.
Diese Änderungen modifizieren die äußere Form der Software, ohne den Kern zu verändern. Rechtlich gesehen hat eine Bearbeitung ein „doppeltes Gesicht“: Sie ist einerseits selbst urheberrechtlich geschützt, andererseits bleibt das Urheberrecht des Originalwerks unangetastet. Der Bearbeiter benötigt daher für die Verwertung seiner Arbeit stets die Zustimmung des ursprünglichen Urhebers.
Wann wird eine Software zur freien Neuschöpfung?
Eine Software gilt als neue, unabhängige Schöpfung, wenn:
- Die Originalzüge vollständig in den Hintergrund treten.
Das bedeutet, dass die Eigenart der neuen Software das ursprüngliche Werk so weit überlagert, dass es als eigenständige Kreation wahrgenommen wird. - Die Individualität des neuen Werks dominiert.
Je mehr das neue Werk eigenständige, kreative Elemente aufweist, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine freie Neuschöpfung vorliegt. - Es keinen direkten Strukturtransfer gibt.
Bei einer freien Benutzung dient das Original nur als Anregung oder Ideengeber. Die konkrete Darstellung oder Struktur des Originals wird nicht übernommen.
Sonderfall: Eingebundene Programmbibliotheken
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Verwendung von Programmbibliotheken. Werden Elemente einer Bibliothek direkt in eine Software integriert, liegt in der Regel eine Bearbeitung vor. Die ursprünglichen Urheber der Bibliothek behalten in diesem Fall Rechte am Gesamtwerk. Eine freie Neuschöpfung ist nur dann möglich, wenn die Bibliothek nicht mehr „durchscheint“ und sich ihre individuellen Züge in der neuen Software nicht wiederfinden.
Praktische Herausforderungen
In der Praxis ist die Abgrenzung oft schwierig, insbesondere bei Software, die sich stark an bestehender Software orientiert. Der Maßstab lautet: Verblassen die individuellen Züge des Originals gegenüber der Eigenart des neuen Werks?
Diese Beurteilung erfordert eine detaillierte Prüfung im Einzelfall und hängt von den spezifischen Merkmalen der jeweiligen Programme ab. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Anerkennung einer freien Benutzung, insbesondere wenn das Originalwerk eine ausgeprägte Individualität aufweist.
Fazit
Die Unterscheidung zwischen abhängiger Bearbeitung und freier Neuschöpfung ist von zentraler Bedeutung für die urheberrechtliche Bewertung von Softwareentwicklungen. Entwickler sollten sich bewusst sein, dass die bloße Weiterentwicklung oder Anpassung eines bestehenden Programms in der Regel nicht zu einer freien Neuschöpfung führt. Für eine klare Abgrenzung empfiehlt sich eine sorgfältige rechtliche Prüfung, insbesondere bei der Integration fremder Softwareelemente.
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